Hebammen begleiten Menschen während einer Zeit, die viele als die intensivste und emotionalste ihres Lebens beschreiben. Hier stellen Ihnen Hebammen ihren Beruf vor.
„Wir sind der Anfang und man sollte den Anfang nie unterschätzen“
Leben hat eine ganze Menge Überraschungen, auch positive. Und wir Hebammen gehören dazu. Denn es ist nicht egal, wie ich mit einer jungen Mutter, mit einem jungen Vater, mit einem Baby umgehe. Sie werden jede noch so kleine Geste nicht vergessen, vielleicht nicht im Gedächtnis behalten, aber als Gefühl. Ich finde es ganz wichtig, dass wir uns dessen bewusst sind und das gut machen. Denn wir sind der Anfang und man sollte den Anfang nie unterschätzen.
Das Gefühl, beim Beginn eines neuen Lebens mit dabei zu sein, ist unbeschreiblich. Die Arbeit macht mir großen Spaß, aber eine Work-Life-Balance im modernen Sinne mit festgelegten Arbeits- und Ruhezeiten kenne ich nicht. Ich denke, die Bezeichnung „altmodische Hebamme“ trifft wohl am ehesten auf mich zu. In meiner freien Praxis biete ich alles an, was Hebammen machen können: von der Schwangerenvorsorge und -beratung über Geburtsvorbereitungskurse für Frauen und Paare bis hin zu Geburtsbegleitung, Wochenbettbesuchen und Unterstützung bis ein Jahr nach der Geburt des Kindes. Außerdem bin ich noch DELFI-Leiterin – das sind Kurse, die frischen Eltern Orientierung und Sicherheit im neuen Lebensabschnitt mit Kind vermitteln.
Ich wurde schon früh auf den Beruf der Hebamme aufmerksam, denn meine Kindheit habe ich in einem kleinen Dorf im Rheinland verbracht, wo zu jener Zeit zwischen Erwachsenen und Kindern und zwischen Männern und Frauen sehr viel durch Hierarchie und Angst geregelt wurde. Aber es gab eine Person, vor der jedermann Achtung hatte: die Hebamme. Ich denke, das hat mich ziemlich geprägt: Ich wollte jemand sein, die sich nicht fürchten muss, vor der man Respekt hat.
1979 bis 1981 habe ich nach dem Abitur an der Universitätsklinik Mainz meine Ausbildung zur Hebamme gemacht. Die erste Geburt, die ich dort erlebt habe, hat mich im positiven Sinn erschüttert. So ist es bis heute bei jeder Geburt, die ich begleite: Mich erfasst ein Schauer, so wundervoll ist es. Meine nächste Station war das akademische Lehrkrankenhaus St. Josefs Hospital in Wiesbaden. Zunächst hatte ich eine volle Stelle, dann habe ich in Teilzeit gearbeitet und parallel Kurse angeboten. Freiberufliche Hebammen gab es zu jener Zeit kaum. Frauen blieben nach einer Geburt noch maximal zehn Tage in der Klinik, danach wurden die Kosten für eine Wochenbettbetreuung durch eine freiberufliche Hebamme nicht mehr übernommen.
In den 1980er Jahren fand ein großer Wandel statt, Frauen begannen sich gegen das starre System in den Kreißsälen zu wehren. Wenn Schwangere in die Klinik kamen, legte man sie auf den Rücken und rasierte sie – das empfanden die Frauen als unfassbaren Übergriff. Die Schwangeren bekamen außerdem einen Einlauf und mussten in die Badewanne – allerdings nicht zur Entspannung, sondern weil man sie reinigen wollte. Teilweise lagen die Gebärenden 18 Stunden auf dem Bett und durften sich kaum bewegen. Gegen dieses starre Reglement in den Kreißsälen haben sich die Frauen letztendlich gewehrt, um andere Arten der Geburtsvorbereitung und der Geburt zu erleben.
1986 war ich eines der ersten Mitglieder der Gesellschaft für Geburtsvorbereitung, die ursprünglich als Selbsthilfegruppe entstand. Sie gab Frauen die Chance, über ihre Erlebnisse zu sprechen und auch andere Möglichkeiten des Gebärens aus früheren Zeiten oder aus anderen Ethnien (wieder-) zu entdecken. Ich habe sehr viel von diesen Frauen gelernt und wir waren sehr visionär und voller Hoffnung, dass Geburtshilfe auch familienfreundlich und menschlich sein kann und Schwangere nicht an der Kreißsaaltür ihre Identität abgeben müssen. Frauen waren damals stolz auf natürliche Geburten und darauf, dass sie mit dem Schmerz umgehen konnten. Sie haben dafür gekämpft, als Erwachsene und nicht wie kleine Mädchen behandelt zu werden.
Ich würde mir wünschen, dass wieder mehr werdende Eltern Schwangerschaft und Geburt als etwas Normales ansehen und nicht in erster Linie mit Ängsten verknüpfen. Wir dürfen ein statistisches Risiko nicht mit einer real bestehenden Gefahr gleichsetzen. Die Geburt eines Kindes ist der Beginn einer neuen Reise – und diese ist nicht bis ins Detail planbar. Ein Kind kann ein Superstar werden oder in beschützenden Werkstätten arbeiten, gesund auf die Welt kommen und doch nach einem Jahr erkranken, es gibt so viele Unabwägbarkeiten. Das nennt man schlichtweg Leben. Wir Hebammen geben dabei nur die Starthilfe – aber wie gesagt: Den Anfang darf man nicht unterschätzen.
Gänsehaut vor Glück und Dankbarkeit
Mit 38 Jahren habe ich nochmal die Schulbank gedrückt und meine Ausbildung zur Hebamme gemacht. Und ich bin es bis heute, auch noch als 71-Jährige. Seit 31 Jahren ist das nun der Beruf, den ich liebe. In den über 20 Jahren, die ich zu Beginn meiner Berufstätigkeit im Kreißsaal gearbeitet habe, hatte ich jedes Mal eine Gänsehaut, wenn ein Kind das Licht der Welt erblickt hat – vor Glück und Dankbarkeit.
Vor meiner Hebammenausbildung war ich als Arzthelferin im Nachtdienst im Krankenhaus Winsen auf der Orthopädischen Abteilung angestellt. Das hieß für mich in den 1970er-Jahren: Zehn Nächte arbeiten und 20 Nächte frei, was sich gut mit den kleinen Kindern und mit einem Auto vereinbaren ließ. Trotzdem habe ich den Entschluss gefasst, den Nachtdienst aufzugeben und Hebamme zu werden. In vielen Bundesländern durfte man damals die Ausbildung zur Hebamme nur bis zum Alter von 35 Jahren machen. In Hamburg war es aber auch als 38-Jährige noch möglich. Also habe ich von 1982 bis 1984 dort meine Ausbildung absolviert.
Die erste Geburt, die ich als Hebammenschülerin erlebt habe, war ein Kaiserschnitt. Ich wusste gar nicht, wie es abläuft und alles war unter großen Tüchern versteckt. Und plötzlich war ein Baby geboren. Als ich dann selber während der Ausbildung eine Geburt betreute, war ich vollkommen fasziniert, als das Baby das Licht der Welt erblickte.
Frauen hatten in den 70er-Jahren kaum Möglichkeiten, Wünsche für den Geburtsvorgang zu äußern. Ich selbst – damals als Arzthelferin – habe meine eigene Schwangerschaft und den Geburtsvorgang uninformiert erlebt. Den ersten Mutterpass gab es 1968, den habe ich damals erhalten. In den 80er-Jahren änderte sich dann viel, auch Männer kamen mit in den Kreißsaal und mussten grüne OP-Kleidung anziehen. Später, als das nicht mehr nötig war, hatte eine Frau, die eine Geburt mitbegleitet hat, dann sogar ein schwarzes Kostüm an. Dieser „Übergang“ war wirklich auch wieder komisch.
Ich habe immer in Kliniken gearbeitet. Anfangs war ich an einem großen Hamburger Krankenhaus eineinhalb Jahre festangestellt, um möglichst viel Berufserfahrung zu sammeln. Als ich dann in das Krankenhaus nach Winsen wechselte, habe ich halbtags gearbeitet und freiberuflich Geburtsvorbereitungskurse und Wochenbettbetreuung angeboten.
Bis zu meinem 60. Lebensjahr habe ich im Kreißsaal gearbeitet. Ich wollte dann mit den drei Schichten aufhören und habe angeboten, dass ich gerne einspringe, wenn jemand krank wird. Dazu kam es dann aber leider nicht, weil in Winsen das Belegsystem eingeführt wurde und die Hebammen selbstständig arbeiten mussten. Also habe ich ausschließlich mit Kursen und Wochenbettbetreuung weitergemacht.
Die Frauen finde ich heute sehr aufgeklärt, wenn es um die Geburt ihrer Kinder geht. Ich gebe aber zu, dass ich das oft schwieriger finde. Meine Erfahrung ist, dass eine Geburt viel besser klappt, wenn die Schwangere nicht ständig überlegt und jedes mögliche Risiko im Kopf hat.
Seit 2011 gebe ich keine Geburtsvorbereitungskurse mehr und stehe auch nicht auf einer Hebammenliste. Ich betreue aber weiterhin Frauen im Wochenbett, die sich bei mir melden. Und für Kolleg*innen mache ich Urlaubsvertretungen. Für mich ist ganz klar: Solange es geht, mache ich weiter.
„Ich wollte immer schon Hebamme werden!“
Schon seit ich ungefähr sieben Jahre alt bin, weiß ich, dass ich Hebamme werden will. Ich habe das damals schon in die Freundebücher geschrieben und kann gar nicht genau sagen, wie ich darauf gekommen bin. Es war für mich einfach immer schon klar.
Ich habe mein Abitur und danach sechs Monate ein Praktikum im Kreißsaal gemacht. Auf den Studiengang Hebammenkunde in Fulda bin ich dann zufällig gestoßen und habe mich sehr gefreut, als ich dort einen Platz erhalten habe. Jetzt, im siebten Semester, mache ich mein Hebammenexamen, um dann im 8. Semester noch meine Bachelorarbeit zu schreiben.
Es bereitet mir große Freude, Frauen und Paare in dem wichtigen Lebensabschnitt Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett zu begleiten. Ein guter, bedürfnisorientierter Kontakt zu den Frauen und Paaren ist mir sehr wichtig. In meinen Augen ist eine aufmerksame und kompetente Begleitung durch eine Hebamme unerlässlich. In den Praxisphasen während des Studiums findet die klinische Ausbildung statt. Ich arbeite in einem Krankenhaus mit einer angeschlossenen Level-2-Kinderklinik. Das heißt, dort kommen Kinder zur Welt, die mehr als 30 Wochen alt und schwerer als 1000 Gramm sind.
Im Team dort fühle ich mich sehr wohl. Ich darf viel selbstständig arbeiten, bekomme gutes Feedback und kann in konstruktiven Diskussionen mein Handeln reflektieren. Das ist mir sehr wichtig. Auch an der Hochschule wird darauf besonderer Wert gelegt. Es ist das Ziel, dass wir unser Handeln auch wissenschaftlich begründen können. Denn ich trage Verantwortung für die Gesundheit von zwei Menschenleben. Das ist mir bei meiner Arbeit stets bewusst. Deshalb will ich auch alles, was ich mache, mit meinem Gewissen vereinbaren können.
Ich habe acht Wochen lang zwei Hebammen außerklinisch bei ihrer Arbeit begleiten dürfen. So habe ich viel über die Vorsorgeuntersuchungen, die Wochenbettbetreuung und Kurse gelernt. Toll war, dass ich auch bei einigen Hausgeburten dabei sein konnte. Auch die Arbeit bei einer sogenannten Familienhebamme war sehr spannend. Familienhebammen haben eine Zusatzqualifikation und begleiten Mütter und Paare, die sich in schwierigen oder besonderen Situationen befinden, bis zu einem ganzen Jahr lang als eine wichtige Vertrauensperson nach der Geburt.
Wie und wo ich nach dem Studium einmal arbeiten möchte, weiß ich noch nicht genau. Eine gute Hebamme kann ich überall sein, sowohl außerklinisch als auch im Krankenhaus ist der Bedarf groß. Meine größten Ansprüche an mich selbst: Ich will in meinem Handeln flexibel bleiben und individuell auf jede Frau eingehen. Jede Geburt ist anders und immer ein ganz besonderes Ereignis. Ich finde es großartig, dass ich dabei als Hebamme die Frauen stärken und kompetent begleiten kann.
Wenn von Anfang an alles gut läuft, ist das ein toller Start ins Leben.
Seit 27 Jahren arbeite ich als Hebamme in einer Klinik und es ist nach wie vor faszinierend, Frauen in einem Kreißsaal zu betreuen. Zu sehen, wie sie in dieser Situation vollkommen bei sich sind und ihr wahres Ich zeigen. Geburt ist deshalb ein sehr echter Moment im Leben. Alle, die dabei anwesend sind, haben deswegen auch eine Verantwortung. Wir spüren die Bedeutung und die Ernsthaftigkeit des Moments. Das hat etwas sehr Schönes.
Mit 21 Jahren habe ich nach Abbruch einer ersten Ausbildung zur Fotografin die zweite zur Hebamme begonnen. Ich habe mich damals sehr für philosophische Fragen interessiert: Wo kommen wir Menschen her? Was ist Leben und wann beginnt es? Ursprünglich war es wirklich die Neugierde, die in mir den Berufswunsch geweckt hat. Ich wollte viele Dinge, die mit Leben zu tun haben, einfach begreifen. Was es genau bedeutet Hebamme zu sein, wurde mir jedoch erst im Laufe meiner Ausbildung und während meiner Berufstätigkeit klar: Wie umfassend die Tätigkeit ist und wie wichtig, dass wir gut geboren werden und wie weitreichend die Konsequenzen einer Geburt sind.
Ich kann mich noch gut an die erste Geburt erinnern, bei der ich dabei war. Es war an der Hamburger Frauenklinik Finkenau, die es heute nicht mehr gibt. Dort habe ich als Hebammenschülerin eine ganz schlimme Zangengeburt miterlebt, in einem völlig stimmungsfreien Raum, gekachelt bis unter die Decke. Ich war schockiert und der ganze Zauber, den ich mir vorgestellt hatte und den ich aus Büchern kannte, war sofort verflogen. Das ist aber in meiner Berufspraxis Vergangenheit und es hat sich sehr viel zum Positiven gewendet. Geburtshilfe ist heute bedeutend sanfter, frauen- und familiengerechter, da hat sich wirklich viel getan. Ich selbst habe während der Ausbildung mein erstes Kind bekommen und mich für eine Hausgeburt entschieden. Ich wollte meinen Sohn nicht auf die Art und Weise bekommen, wie ich es in der Ausbildung erlebt habe. Es geht auch anders, das wusste ich schon damals.
Mein Hebammenexamen habe ich 1988 gemacht. Ich arbeite heute mit einer halben Stelle fest angestellt im Asklepios Klinikum Harburg. In der anderen Zeit gebe ich freiberuflich Geburtsvorbereitungskurse, mache Wochenbettbetreuungen und vertrete gelegentlich eine Kollegin in der Praxis bei Vorsorgen. Mit der Mischung aus fest angestellter und freiberuflicher Tätigkeit kann ich Arbeit und Familie unter einen Hut bringen. Meine Arbeit in der Klinik bietet mir gute Rahmenbedingungen, darunter regelmäßige Einkünfte und festgelegte Arbeitszeiten – trotz Schichtdienst, Wochenend-, Feiertag- und Nachtarbeit. Wenn man eine eigene Familie hat, muss man schauen, was sie braucht, auch wie groß das eigene Freizeitbedürfnis ist.
In den vielen Jahren meiner Berufstätigkeit haben sich die Arbeitsbedingungen in den Kliniken verändert. Ob sie sich aber wirklich verbessert haben, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Nach wie vor ist der Schichtdienst sehr fordernd und anstrengend. Dazu sind die Ansprüche der Frauen gestiegen, die alle eine Einzelbetreuung möchten. Es ist aber für ein Krankenhaus bei den derzeitigen Rahmenbedingungen gar nicht möglich, jeder Schwangeren eine eigene Hebamme zur Seite stellen – so toll das wäre, es geht nicht. Wir müssen während der Betreuung der Gebärenden noch 1.000 andere Dinge machen, das geht vom Türdienst über Bestellungen auf- und annehmen bis hin zur Wartung der Kreißsäle. Es gibt unglaublich viele Nebentätigkeiten. Und was sich dramatisch verändert hat ist die Form der Dokumentation. Sie nimmt heute einen so großen Raum ein, dass der zeitliche Aufwand für sie weit höher liegt als die Zeit, die man für die Betreuung der Schwangeren hat.
Und trotzdem möchte ich jeder Gebärenden und ihren Bedürfnissen gerecht werden. Denn wenn von Anfang an alles gut läuft, ist das ein toller Start ins Leben – gefühlt hat man ihn positiv geschafft. Man sieht auch bei Frauen, wie großartig sie sich fühlen, wenn das Erlebnis der Geburt gut war. Wie es sich auf das Selbstbewusstsein und die äußere Wahrnehmung auswirkt. Damit ist ein wichtiger Grundstein für eine funktionierende Mutter-Kind-Beziehung gelegt.
Da würde ich mir übrigens wünschen, dass mehr Menschen die Zusammenhänge kennen. Dass sie wissen: Hebammen sind bei jeder Geburt dabei und sie sind wichtig für die Zukunft der Familie. Es müsste ein größeres Bewusstsein geben, dass der Verlauf einer Geburt weitreichende Konsequenzen für das Leben von Mutter und Kind hat. Hebammen sind hierbei Vermittler*innen zwischen dem Ungeborenen und der Gebärenden. Ich glaube, wir haben die Möglichkeit, die Beziehung zwischen Mutter und Kind in grundlegenden Elementen positiv zu beeinflussen – und zwar auf die Art und Weise, wie wir das Ankommen eines Kindes in dieser Welt mitgestalten.
Ich sehe immer die Chancen der Menschen, ihre Kraft und die Ressourcen.
Meine Mutter behauptet, dass ich bereits im Kindergarten Hebamme werden wollte. Ich habe aber immer nur von schwierigen Geburten gehört und bin von dem Berufswunsch wieder abgekommen. Während meiner eigenen Schwangerschaft hatte ich dann eine sehr gute Hebamme. Als sie nach der Geburt meines Sohnes dann regelmäßig zur Wochenbettbetreuung zu mir kam, wusste ich es einfach: Das ist mein Beruf!
Er ist toll und bietet so viele Möglichkeiten Familien zu unterstützen. Eine Schwangerschaft ist ein wegweisender Lebensabschnitt und als Hebammen dürfen wir Familien dabei ein Stück des Weges begleiten. Es ist ein Privileg, dass Menschen uns die Tür öffnen und uns in einer so wichtigen Phase ihres Lebens willkommen heißen.
Ich arbeite als freiberufliche Hebamme ohne Geburtshilfe und war viele Jahre in den Berliner Bezirken Neukölln und Wedding tätig. Die meiste Zeit habe ich bis zu 80 Prozent Frauen mit türkischem oder arabischem Migrationshintergrund betreut. Es ist sehr spannend, hautnah verschiedene Bräuche wie das Baden des Kindes am 40. Lebenstag oder Feiertage wie das Zuckerfest mitzubekommen. Die Frauen freuen sich, wenn man Traditionen aus ihrem Kulturkreis kennt und respektiert. Natürlich kommt es auch zu Sprachbarrieren. In solchen Fällen ist es oft exakter, wenn ich mit Händen und Füßen erkläre als wenn Partner*innen übersetzen. Ich kann gut verstehen, dass eine Frau Mutter in ihrer Muttersprache werden möchte. Aber für viele hier lebende Frauen mit türkischem oder arabischem Hintergrund ist die deutsche Sprache bereits wie eine Muttersprache und ganz natürlich. Ich würde mir dennoch wünschen, dass mehr Kolleg*innen die Betreuung in verschiedenen Sprachen anbieten, beispielsweise haben wir kaum serbokroatisch, russisch oder polnisch sprechende Hebammen.
Der Großteil meiner Arbeit ist seit dreieinhalb Jahren das Amt der Landevorsitzenden des Berliner Hebammenverbandes. Obwohl mir die berufspolitische Ebene schon während meiner Ausbildung sehr bewusst war, wurde ich erst mit meinem bestandenen Hebammen-Examen Mitglied im Deutschen Hebammenverband. Im Rahmen meiner Ausbildung zur Familienhebamme bin ich mit der damaligen Berliner Vorsitzenden in engen Kontakt gekommen. Als ihre Amtszeit zu Ende ging und sie eine Nachfolgerin suchte, kam ich ins Überlegen. Meine Entscheidung fiel dann 2010, als die Versicherungsprämie für die Berufshaftpflicht wieder erhöht wurde und ich nicht mehr als Beleghebamme und Hausgeburtshebamme arbeiten konnte. Ich habe immer vorwiegend Beleggeburten betreut und es war einfach klar: Die Kosten kann ich nur dann decken, wenn ich eine zusätzliche hohe Anzahl an Geburten betreue. Alleine aufgrund meiner kleinen Kinder war das gar nicht möglich. Es blieb mir also nur die Wahl deprimiert zu Hause zu sitzen oder zu versuchen, etwas zu ändern. Meine vier Jahre Amtszeit sind jetzt fast um und die Rahmenbedingungen haben sich in meinen Augen nicht genug geändert. Ich überlege mir gerade eine zweite Amtszeit, um weitere vier Jahre für die Besserstellung von Hebammen zu kämpfen. Neben der politischen Arbeit bin ich als Landesvorsitzende auch Ansprechpartnerin für rechtliche und fachliche Fragen.
Sehr wichtig ist mir meine Arbeit in der Drogenhilfe Nord, bei der ich suchtbetroffene Familien vor oder nach der Geburt ihres Kindes betreue. Ich werde oft gefragt, wie die Arbeit mit suchtkranken Menschen ist. Zur Arbeit einer Hebamme gehört ja generell eine hohe Wertschätzung des Gegenübers. Bei suchtkranken Menschen ist dies besonders wichtig und noch intensiver. Man braucht natürlich Mut zur Auseinandersetzung mit dem Thema und ein gutes Verständnis über die Bedeutung von Sucht: Nämlich dass sie keine Charakterschwäche ist, sondern eine Erkrankung. Es gibt ja auch eine Klassifizierung von Sucht als Bindungsstörung. Viele suchtkranke Menschen haben selbst dysfunktionale Bindungsstile. Man geht davon aus, dass Frauen die selbst keine gute Bindung zur eigenen Mutter haben diese Bindungsstörung zu ungefähr 80 Prozent an ihre eigenen Kinder weitergeben. Sucht hat ebenfalls eine sehr hohe Übertragungsrate auf Kinder. Wir Hebammen haben hier gute Möglichkeiten gewinnbringend zu unterstützen und mit ganz kleinen Dingen sehr viel zu bewegen. Bindungsförderung ist ohnehin eine der wichtigsten Aufgaben von Hebammen: Man übersetzt, was das Kind gerade an Signalen sendet – in meinen Augen machen wir bei suchtbetroffenen Familien dadurch bereits Suchtprävention für die nächste Generation. Ich sehe immer die Chancen der Menschen, ihre Kraft und die Ressourcen.
Am wichtigsten ist es für mich, die Frauen zu stärken
Vor gut eineinhalb Jahren habe ich an der Charité Berlin meine dreijährige Hebammenausbildung begonnen. Dass ich den Ausbildungsplatz, für den ich extra hierher gezogen bin, bekommen habe, ist einfach großartig. Die Ausbildung selbst ist eine Mischung aus einem Drittel Theorie und zwei Drittel Praxis. Die theoretischen Themen werden an der Gesundheitsakademie Berlin unterrichtet, für den praktischen Teil bin ich am Virchow-Klinikum der Charité im Wedding.
Ich fand einfach Schwangerschaft und Geburt schon immer wahnsinnig faszinierend. Als Kind habe ich schon gehört, dass es einen Beruf gibt, der das begleitet. Da war es für mich sofort klar: Ich will Hebamme werden. Während eines Praktikums zur Berufsorientierung habe ich dann als 16-Jährige in Heidelberg an einer kleinen Klinik auf einer Wochenbettstation zum ersten Mal eine Geburt miterlebt. Daran werde ich mich mein ganzes Leben lang erinnern: Die Schwangere war eine Drittgebärende, die mich bei einer superschnellen und unkomplizierten Wassergeburt dabei sein ließ. Das hat mich im wahrsten Sinne des Wortes vom Hocker gehauen, ich war fasziniert.
Seitdem war ich bei vielen Geburten dabei. Ich finde die Vielfalt an Erfahrungswelten so spannend in unserer Arbeit, denn jede Frau agiert während der Schwangerschaft und der Geburt vollkommen individuell. Es kommen so viele Faktoren aus der persönlichen Vergangenheit und Gegenwart zusammen, die jedes Erleben und Bewältigen dieser intensiven Lebensphase einzigartig macht. Auch wie eine Geburt verlaufen kann, wie die Frau sich vorbereitet, wie sie zu ihrem Körper steht, welchen Hintergrund sie hat und vieles mehr ist immer anders. Man muss sich auf jede Schwangere neu einstellen. Als Hebamme ist man in diesen Momenten eine Begleiter*in, um die Frau dabei zu stützen, ihren eigenen Weg zu finden. Am wichtigsten ist es für mich, die Frauen zu stärken. Das müsste generell aber bereits früher beginnen: Die Aufklärung, was Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett bedeuten, sollte schon in der Schule und zu Hause erfolgen. Es ist eine gesellschaftliche Aufgabe zu sagen: Geburt ist etwas Natürliches und sollte nicht nur medizinisch gesehen werden. Dieses Bewusstsein zu vermitteln wird noch viel Zeit und Arbeit erfordern, aber es ist eine gute und wichtige Aufgabe, die wir da haben.
Für die Zukunft aller Hebammen wünsche ich mir, dass wir uns weiterentwickeln können, sowohl in Deutschland als auch bei der Entwicklung von internationalen Netzwerken. Es besteht noch so viel Potenzial und das Interesse an unserer Arbeit, auch bei jungen Menschen, ist sehr hoch. Oft bereichern auch Quereinsteiger*innen aus anderen Berufsgruppen unsere Ausbildung und unsere Arbeit mit neuem Wissen und Kompetenzen.
Neben meiner Ausbildung kümmere ich mich um die Medienpräsenz des Bundesrates Werdender Hebammen. Der Bundesrat WeHe ist eine Organisation für den Austausch und die Vertretung von Hebammenschüler*innen und -student*innen aus ganz Deutschland. Wir treffen uns drei Mal im Jahr. Dabei tauschen sich die werdenden Hebammen über ihre aktuelle Ausbildungssituation aus. Sie berichten beispielsweise über die Ausbildung, wie die Zusammenarbeit mit den Kliniken verläuft, wie hoch die Sectio-Rate ist, welche Geburtspositionen am meisten gewünscht werden und vieles mehr. Alleine dadurch lernen wir unheimlich viel über die Geburtshilfe und Hebammenausbildung in Deutschland und ihre Vielfalt. Wir erhalten viele Inspirationen und Ideen, die man oft selbst umsetzen kann, unter anderem durch Referent*innen, in Workshops und durch den intensiven Austausch. Die Treffen sind im Gegensatz zu anderen Hebammenfortbildungen sehr günstig. Alle werdenden Hebammen aus ganz Deutschland können an diesen Treffen teilnehmend und sich vernetzen. Ich selbst bin durch Mitschüler*innen aus höheren Kursen an der Charité auf diese tolle Plattform hingewiesen worden.
Wenn ich an keine persönliche Zukunft denke, sehe ich vor allem die vielen Chancen, die sich eröffnen: Ich bin stark an einem Studium interessiert, möchte noch gerne den Bachelor und möglicherweise auch den Master im Gesundheitsbereich machen. Die Akademisierung halte ich für einen wichtigen Teil unserer Zukunft, damit sich der Berufsstand weiterentwickelt und autonomisiert. Ich kann mir eine freiberufliche Tätigkeit neben dem Studium genauso vorstellen wie einen Auslandsaufenthalt, beispielsweise Entwicklungsarbeit oder für eine bestimmte Zeit in die USA zu gehen, um dort die Hebammenarbeit kennen zu lernen. Spannend finde ich auch die Projektarbeit auf internationaler Ebene um zu erforschen, welchen Einfluss Hebammen zum Beispiel auf die weltweite Gesundheit von Müttern nehmen können und sollten. Es gibt so viele Möglichkeiten in meinem Beruf.
„Die Weitergabe von Wissen, Fertigkeiten und Kompetenzen ist faszinierend.“
Ich wollte schon sehr früh Hebamme werden oder, um es etwas genauer zu sagen: Hebamme in Afrika. Es ist ein faszinierender Beruf: Wir geben Wissen, Fertigkeiten und Kompetenzen an Mütter und Väter weiter und befähigen sie dadurch, gut für ihr Kind zu sorgen.
1980 habe ich zunächst in München nach einer zweijährigen Ausbildung mein Hebammenexamen erhalten. Da zu dieser Zeit im Ausland eine zweijährige Ausbildung nicht anerkannt wurde, habe ich 1985 noch das Krankenpflegexamen gemacht. Ich war anschließend von 1986 bis 1990 in Kenia, unter anderem vier Jahre als leitende Hebamme und Krankenschwester eines Basisgesundheitsprojekts der Katholischen Kirche im Slumgebiet „Soweto“ in Nairobi. Die Arbeit war nicht in einem typischen Kliniksetting, sondern mitten im Slumgebiet. Als ich dort Frauen zu Gesundheitshelferinnen ausgebildet habe, stellte ich fest, wie sehr mir die Weitergabe von Wissen liegt – das war für mich der Ansporn, in die Lehre zu gehen und zu studieren.
In Deutschland gab es Mitte der 1990er Jahre jedoch kaum Studienmöglichkeiten in diesem Bereich. Dazu kam, dass ich nach einem Studium gerne wieder ins Ausland gehen wollte. Also habe ich mich zu einem englischsprachigen Studium in Pflegewissenschaft mit Schwerpunkt „maternal-child care“ an der „Catholic University of America“ in Washington, D.C. entschieden. Nach dem Bachelor- und Masterabschluss 1996 bin ich nach Deutschland zurückgekehrt und habe in Koblenz sechs Jahre Hebammenkunde gelehrt. Als ich mich erneut weiterentwickeln wollte, hat sich in Halle/Saale die Promotion angeboten.
2003 habe ich hier am Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft als studentische Hilfskraft begonnen und mich von da an immer mehr der Forschung zugewandt. 2009 habe ich als Doktorin der Medizinwissenschaften promoviert. Inzwischen bin ich wissenschaftliche Mitarbeiterin und unterrichte sowohl Bachelor- als auch Master-Studierende. Spannend ist, dass an unserem Institut mehrere Gesundheitsfachberufe vertreten sind, neben Hebammen auch die Fächer Gesundheits- und Krankenpflege, Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und andere. Für alle finden die Vorlesungen interdisziplinär statt. Ich berate die Studierenden bei ihren Abschlussarbeiten und unterstütze inhaltlich wie methodisch deren Forschungsprojekte. Die jüngsten Hebammenforschungen, die wir am Institut durchführten, befassten sich mit Familienhebammen: eine Untersuchung über die Ziele ihres beruflichen Handelns und die Erstellung einer standardisierten Dokumentationsvorlage für Familienhebammen – beide Projekte in Zusammenarbeit mit dem Nationalen Zentrum Frühe Hilfen in Köln. Außerdem konzipieren wir am Institut gerade den Bachelorstudiengang „Evidenzbasierte Pflege“ neu und haben einen Antrag für eine Studie zum Thema „Hebammenbegleitung bei der aufrechten Geburt“ gestellt.
Mein Wunsch ist, dass wir hier an der Medizinischen Fakultät einen eigenständigen Studiengang für Hebammen entwickeln. Das wäre nur logisch, weil wir bereits Hebammenforschung betreiben und durch die Fakultät viele Fachkräfte aus verschiedenen Sparten und Ressourcen für eine qualitativ hochwertige Ausbildung zur Verfügung haben.
Der Hebammenberuf ist ein gutes Beispiel für lebenslanges Lernen. Es ist sehr wichtig, sich kontinuierlich neues Wissen anzueignen, das auf neuen Forschungsergebnissen basiert. Auch in meiner Funktion als stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft ist es mir deshalb ein großes Anliegen, dass die Hebammen in Deutschland die Forschung mehr unterstützen, beispielsweise indem sie ihre Bereitschaft zur Mitarbeit signalisieren und Angaben zu ihrer Tätigkeit anonymisiert freigeben. Diese Daten würden die Erkenntnisse zur Hebammentätigkeit hierzulande einen großen Schritt nach vorne bringen. Gleichzeitig könnte man diese verlässlichen Daten auch als schlagkräftige Argumente für die Anliegen von Hebammen in Deutschland nutzen.